Český a slovenský zahraniční časopis  
     
 

Červen 2007


Češi a Němci se neshodli v pohledu na minulost

Šárka Daňková

Rozdílné názory na společnou historii nemají jen čeští a němečtí politici. V pohledu na českoněmeckou minulost se liší také vědci z obou zemí. Diskuse o některých bolestných kapitolách společných dějin tak často zůstává obtížná, stejně složité je dojít ke společným závěrům. Vzájemná spolupráce je ale přesto možná – a plodná. Dokládá to právě uzavřený mezinárodní projekt, v jehož rámci historici ze šesti zemí zkoumali, jak se zacházelo s německými menšinami v devíti zemích Evropy. Vědci se snažili srovnat tehdejší právní normy. Zaměřili se přitom na období druhé světové války a krátce po ní. Výsledky jejich bádání vyšly česky pod názvem Německé menšiny v právních normách 1938 až 1948.

Jako součást projektu byl zamýšlen závěrečný shrnující text, který měl interpretovat výsledky jednotlivých studií. Tento záměr se však ukázal jako nereálný. Rozdíly v pohledu českých a německých historiků byly totiž příliš hluboké. „Náš tým byl takovým konfliktním společenstvím,“ konstatoval jeden z garantů projektu Oldřich Tůma, ředitel Ústavu pro soudobé dějiny. Parafrázoval tak název knihy Jana Křena o vztazích Čechů a Němců.

Iniciátorem celého podniku bylo v roce 1999 Česko-německé diskusní fórum a finančním garantem Českoněmecký fond budoucnosti. Koncepční rozpory mezi českou a německou stranou však několikrát vedly k tomu, že přípravné práce musely být pozastaveny. V roce 2001 se projektu ujal pražský Ústav soudobých dějin Akademie věd zastoupený Oldřichem Tůmou, kterému se po bok postavil Jiří Pešek. Jejich německými partnery byli Horst Möller a Manfred Kittel z mnichovského Institutu für Zeitgeschichte. Byly to právě „pražská“ a „mnichovská“ interpretace výsledků bádání, které historikům znemožnily dojít ke společnému závěru. Německá strana v přístupu k německým menšinám odmítala princip kolektivní viny. Čeští historici argumentovali tím, že rozhodující nebyly československé zákony samé, ale způsob, jakým byly uplatňovány. Například prezidentské dekrety se přímo nevztahovaly na příslušníky menšin, kteří se neprovinili proti českému národu a státu.

Podle Jiřího Peška „však není tak podstatné, že jsme nedošli ke stejným závěrům, jako to, že řešení bylo celou dobu navzájem koordinováno a rámcově je problematika společně uchopitelná“. V neposlední řadě díky společné zkušenosti, kterou měli Evropané při konfrontaci s nacismem.

(Lidové noviny, www.lidovky.cz)

Poznámka redakce CS-magazínu. Výše uvedený článek vyšel v Lidových novinách téměř půl roku po zmíněném konfliktu a po podrobném pojednání K. P. Schwarze ve Frankfurter Allgemeine Zeitung. Zde pro zajímavost v německém originále:

Der Plan ging nicht auf

Deutsch-tschechisches Forschungsprojekt zur Vertreibung endet in einem Historikerstreit / Von Karl-Peter Schwarz, FAZ 10. 11. 2006

PRAG, 9. November

Als die Historiker sich heillos zerkrachten, stellte ihnen die Physik eine Zeitmaschine zur virtuellen Vergegenwärtigung der Vergangenheit zur Verfügung, die keinen Wunsch nach Informationen offenließ. Alle Fakten ließen sich damit vollständig und unverfälscht darstellen – und dennoch gelang es nicht, den Streit zu entscheiden. Denn je nachdem, „wo der Historiker seinen Standort hatte in der virtuellen Welt, die ihn umfaßte. bot sich ihm ein perspektivisch anderes Schattenspiel dar. So bildeten sich neuerlich Gruppen, Cliquen und Parteien, die um die Wahrheit der Geschichte genau jene Kämpfe fochten, die damals, als die Vergangenheit noch Gegenwart war, zwischen den Kriegs- und Bürgerkriegsparteien real ausgefochten worden waren." Diese Parabel, die der Wiener Philosoph Rudolf Burger seiner „Kleinen Geschichte der Vergangenheit`" voranstellte, empfiehlt sich als Epilog zu einem Projekt, das im Auftrag des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds vor mehr als sieben Jahren begonnen und eben erst auf wenig befriedigende Weise abgeschlossen wurde – „um endlich die Kuh vom Eis zu holen", wie es ein deutscher Historiker formulierte.

Im Koordinierungsrat des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums, das auf der Grundlage der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 gebildet worden war, hatten die tschechischen Vertreter sehr früh und mit Nachdruck die Erarbeitung einer vergleichenden Studie über die Rechtsnormen gefordert, die Grundlage für den Umgang mit den deutschsprachigen Minderheiten nach dem Zweiten Weltkrieg in verschiedenen europäischen Ländern gewesen waren. Von einem solchen Vergleich, dessen Vorbereitungsarbeiten 1999 begannen, erhoffte sich das tschechische Außenministerium eine Rechtfertigung der Vertreibung und damit eine Bestätigung seiner Rechtsauffassung zu den Beneš-Dekreten, die den damaligen Beitrittsprozeß der Tschechischen Republik zur EU erheblich belastete.

Der tschechische Plan, die Untersuchung möge zeigen, daß die Deutschen in der Tschechoslowakei nicht schlechter behandelt worden seien als in anderen Ländern auch und daß die damalige Prager Führung ohnehin nur den Anordnungen der Siegermächte nachgekommen sei, stieß jedoch auf unerwartete Schwierigkeiten. Noch in der Vorbereitungsphase geriet das Projekt ins Stocken. Während die deutsche Projektleitung auf Wunsch des damals zuständigen Staatsministers Christoph Zöpel (SPD) von Anfang an Horst Möller übertragen wurde, dem Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin, tauschte Prag die tschechische Projektleitung zweimal aus, bis sie schließlich an Jiří Pešek vom Institut für Zeitgeschichte der Prager Akademie der Wissenschaften ging.

Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen über die Zielsetzung und den Umfang des Projekts sowie über die Auswahl der Mitarbeiter. Um überhaupt sinnvoll vergleichen zu können, schlugen die Deutschen Untersuchungen zu allen Ländern vor, in denen es deutschsprachige Minderheiten gab. Doch die Aufnahme, Rumäniens, wo die Deutschen zwar schwer zu leiden hatten, aber nicht vertrieben wurden, lehnten die Tschechen ab. Die deutschen Historiker wandten sich wiederum gegen den tschechischen Vorschlag, Holland einzubeziehen, wo es zwar eine deutsche Kolonie von Geschäftsleuten und Gastarbeitern gegeben hatte, aber keine autochthone Minderheit.

2002 begannen schließlich die Arbeiten an den Beiträgen über die Tschechoslowakei, Polen, Ungarn und Jugoslawien, die in Prag betreut wurden. Die deutsche Seite kümmerte sich um die Fälle Italien, Belgien, Frankreich, Dänemark und die Entnazifizierungspolitik in Deutschland. Das Ergebnis dieses Projektes liegt nun als Sammelband vor (Deutschsprachige Minderheiten 1945. Ein europäischer Vergleich. Herausgegeben von Manfred Kittel, Horst Möller, Jiří Pešek, Oldřich Tůma. R. Oldenbourg Verlag, München). Im Anhang zu den einzelnen Länderstudien enthält er die jeweils wichtigsten Gesetze, Dekrete und Verordnungen. Die Beiträge unterschiedlicher Qualität bieten zum ersten Mal einen längst überfälligen, wenn auch nicht vollständigen (rechts-)historischen Überblick über die antideutschen Maßnahmen in Europa nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Von einem Vergleich könnte sinnvollerweise allerdings erst dann gesprochen werden, wenn er auch gezogen würde. Ebendies war bei diesem Projekt nicht der Fall. Wie in Burgers Parabel stehen die bloßen Fakten außer Streit. Eine vergleichende Interpretation und Bewertung aber unterblieb, weil sich die deutschen und tschechischen Herausgeber nicht darauf einigen konnten. Standhaft verweigerten Möller und Kittel sich der bei deutsch-tschechischen Historikerprojekten sonst üblichen Vorgangsweise, unter mehr oder minder gelinder politischer Einflußnahme einen diplomatischen Kompromiß auszuhandeln, der dann der deutsch-tschechischen Debatte als „objektives wissenschaftliches Ergebnis" oktroyiert wird. Damit, daß sich dem deutschen Historiker diesmal widersetzen könnten, war in Prag und Berlin wohl nicht gerechnet worden.

Bereits im August 2003 war der Band fertig, danach ging es nur noch um die Conclusio der Herausgeber. Auf den deutschen Vorschlag, ein gemeinsames Vorwort zu verfassen, in dem die unterschiedlichen Auffassungen dargelegt werden, antworteten die Tschechen mit dem Vorschlag von zwei getrennten Vorworten. Als dann Pešek und Tůma ihre Schlußfolgerungen präsentierten, erhoben Kittel und Möller Einspruch mit der Begründung, diese hielten wissenschaftlichen Ansprüchen nicht stand. Insbesondere sei es nicht statthaft, daß Pešek und Tůma als Mitherausgeber die Verfasser einzelner Beiträge abkanzelten. Besonders heftig hatten sie die Südtirol-Studie des deutschen Historikers Rudolf Lill attackiert. Italien ist bekanntlich das einzige Land, das nach dem Krieg die Deutschen nicht nur nicht vertrieben, sondern sogar jene, die für Deutschland optiert hatten, wieder zurückgeholt hatte.

Das Rechtsnormenprojekt schaffte es sogar, das Klima im Deutsch-Tschechischen Gesprächsforum zu belasten. Dessen Beiratsvorsitzender Michael Libal, ehemals deutscher Botschafter in Prag, schlug schließlich vor, auf Schlußfolgerungen überhaupt zu verzichten und das Buch nur mit einer kurzen technischen Einleitung der Herausgeber zu versehen. Libal und seine Ko-Vorsitzende Barbara Köpplová fordern den Leser in ihrem Vorwort dazu auf, „sich an Hand der einzelnen Beiträge ein eigenes Urteil" zu bilden. Der „mündige Leser als stiller Partner im deutsch-tschechischen Dialog" sei willkommen.

Mittlerweile sind die Schlußfolgerungen Kittels und Möllers in der Oktobernummer der „Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte" erschienen. Die Schlußfolgerungen Pešeks und Tůmas werden in der Zeitschrift „Bohemia" des Münchner Collegium Carolinum zu lesen sein; die „Vierteljahreshefte" hatten sie als „nicht publikationsfähig" abgelehnt.

Dem mündigen Leser des Sammelbandes erschließen sich aber auch ohne sie die grundsätzlichen Unterschiede in der Behandlung der deutschen Minderheiten im Osten und im Westen. Schon die Ausgangslage war völlig anders gewesen. Die kleinen deutschen Minderheiten in den selbstbewußten Nationalstaaten des Westens hatten der nationalsozialistischen Expansionspolitik ungleich weniger Angriffsflächen geboten als die starken, diskriminierten deutschen Volksgruppen in den neuen Nationalstaaten im Osten und Südosten, die aus den Pariser Vororteverträgen hervorgegangen waren und in Wirklichkeit nur verkleinerte Ausgaben der alten Vielvölkerstaaten waren. Erst die Umwandlung der politischen Vertretungen der „Volksdeutschen" in Hitlers fünfte Kolonnen, dann der ungleich grausamere Vernichtungskrieg im Osten und der millionenfache Massenmord der Nationalsozialisten an Juden und Slawen, an dem sich zahlreiche Angehörige der autochthonen Deutschen beteiligten, schufen die Voraussetzungen dafür, daß an die 14 Millionen Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben werden konnten.

Die Tatsache aber, daß die Abrechnung hier individuell, dort aber nach dem Kollektivschuldprinzip verlief, daß nur im Osten „ethnische Flurbereinigung" betrieben wurde, daß man die „slawische Erde" (Stalin) wiedererstehen lassen wollte und die Bestrafung der NS-Verbrecher demgegenüber sogar in den Hintergrund trat, läßt sich nicht einfach nach dem Ursache-Wirkung-Schema allein der nationalsozialistischen Vorgeschichte der Vertreibung zuschreiben. Die Ideologie der Vertreibung folgte dem ideologischen Generalplan der Herstellung des ethnisch homogenen Staates, zu der die deutsche Katastrophe die ersehnte Gelegenheit gab. Die Methoden aber, der sie sich bediente, hatte Willy Brandt 1946 in einem Artikel über die Vertreibungspolitik korrekt gekennzeichnet. Er trug den Titel: „Hitler's spirit lives an".



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