Leden 2009 Skandalia der tschechischen GeschichteBuchbesprechung von Sidonia DedinaRozhodli jsme se, že budeme občas zařazovat i články v jazycích střední Evropy a to bez překladu, protože na něj nejsou prostředky. Část čtenářů tento krok jistě ocení. Redakce CS-magazínu. Neun Jahre Recherchen, wie er schreibt, haben Tomáš Krystlík zu seinem Buch geführt: Zamlčené dějiny - Die verschwiegene Geschichte. Voller Enthüllungen, unangenehm für die staatlich-tschechische Geschichtsschreibung, ist Krystlíks Werk ein zutiefst vernünftiges Buch. Es beginnt mit der Feststellung, dass die glorifizierten tschechischen (und slowakischen) Legien des Ersten Weltkriegs weniger als 1% der Alliierten militärischen Streitkräfte ausmachten. Eine unvergleichlich höhere Zahl der Tschechen kämpfte in den österreichisch-ungarischen Reihen. Die Tschechoslowakei (weiter ČSR) war „ein Kind der Propaganda", wie ein britischer Historiker festhielt. Was für Propaganda, und welche Tatsachen sich hinter dem Verschweigen, den Verleumdungen und den Lügen führender tschechoslowakischer Persönlichkeiten verbargen, erläutert der Autor in weiteren Kapiteln. Thomas Masaryk, ein renommierter Humanist, hätte sich zu Zeiten der Kriegspsychose ganzer Völker vor und während 1914 mit Kräften verbinden müssen, die ums Versöhnen bemüht waren. Nicht so Masaryk. Er pflegte Kontakte mit militanten serbischen Nationalisten, für die Österreich Erzfeind war. Aus diesen Reihen stammte der Attentäter des kaiserlichen Thronfolgers, dessen gewaltsamer Tod Auslöser der Welttragödie wurde. Panslawische Kräfte wünschten damals den Krieg - schreibt Krystlík. Bunt gescheckte Personen defilieren vor dem geistigen Auge. Mit ihrer Hilfe hatte Masaryk einen regelrechten privaten Nachrichtendienst aufgebaut. Hohe Geldsummen wurden seitens des britischen Secret Service auf sein Konto überwiesen, telegrafisch, um offene Kontakte zu vermeiden. Aufgrund vielseitiger Literatur setzt Krystlík ein kompliziertes, logisch aufgebautes Bild zusammen. Der im Exil lebende künftige Staatspräsident war verwickelt in vielseitige Kooperationen, nicht nur mit dem britischen, sondern auch dem russischen, ja österreichischen Geheimdienst. Sein wichtigster Geldgeber war der amerikanische Millionär Charles R. Crane. Mit einem dokumentierten Brief verlangte Masaryk von Crane weitere Summen, obwohl er schon ca 2.000 $ pro Monat erhielt (eine Kaufkraft von ca 200.000 Euro heute). Mit dem Kleingeld ließe sich „keine große Aktion durchführen", schrieb er an Crane. Mit einem Pamphlet von 1916 verbreitete Masaryk völlig erlogene Nachrichten über „österreichischen Terrorismus“ in Böhmen. Zur gleichen Zeit wurden aufgrund kaiserlicher Amnestie fast 1.000 Tschechen aus Gefängnissen entlassen, einschließlich jener zu Tode verurteilten. Parallel wurde der viel jüngere, ebenso exilierte Edvard Benesch zum Spion des französischen Geheimdienstes. Akribisch schildert Krystlík, wie die führenden tschecho-slowakischen Emigranten auf Verlängerung des Krieges bedacht waren „bis zum Erreichen der tschechoslowakischen nationalen Zielen“. Ein absolutes, allerdings von Masaryk & Co. gewolltes Versagen der Legionen im Kampf gegen die Bolschewiki in Russland ist eine Todsünde gewesen, die sich 30 Jahre später, 1945-1948, an eigenem Volk bitter rächen sollte. Dank sorgfältig belegten Schilderungen kommt ein anderes Image Masaryks zum Vorschein, als es die Tschechen gewohnt sind. Kein Väterchen, sondern ein harter Machtmensch, der eine chauvinistische Clique zu führender Kraft im Staat aufgebaut hatte. In dieses Bild passt auch schon Benesch, der spätere Liquidator und Usurpator. Eine geistige Verwandschaft der beiden Figuren, Masaryk und Benesch, überrascht nicht mehr. Auch ihre top-geheime Finanzpolitik ohne Belege, mit unzähligen Begünstigten. Es fehlt nicht mal eine Nacht-und-Nebel-Aktion, ein Klau von Dokumenten aus den Archiven des Wiener Innenministeriums 1918, mit denen spätere CS-Politiker und andere Personen erpresst werden sollten. Glaubwürdig beschrieben wird die von Legionen betriebene Plünderung Sibiriens, als auch das Drama um den geraubten Teil des Zarenschatzes, bedingt durch Verrat an russichen „weissen“ Kampfeinheiten, welche an die Bolschewiki und damit in den Tod ausgeliefert wurden. In Krystlíks Buch las ich das erste Mal Näheres zum tragischen Tod des slowakisch-französischen Generals Milan Rastislav Štefánik, des (erfolglosen) Vorkämpfers slowakischer Autonomie im neuen Staat. Erst im Mai 1919 flog Štefánik, als einer der Befehlshaber der unterwegs befindlichen Legien, in die Heimat. Während der Landung bei Bratislava am 4. Mai 1919 verunglückte sein (italienisches) Flugzeug. Nach offiziellen CS-Angaben starb Štefánik bei der Havarie unmittelbar am Landeplatz. Es gibt ziemlich glaubwürdige, doch amtlich bestrittene Aussagen darüber, dass die Maschine durch tschechische Soldaten beschossen wurde. Im vorliegenden Buch liest man, Štefánik lebte noch nach dem Aufprall. Mit einer Limousine unbekannten Ursprungs wurde er vom Flugplatz in Richtung Bratislava schleunigst abtransportiert. Der Rest ist Schweigen... vorerst mal. Laut Staatspropaganda war die Erste Republik „Insel der Demokratie“. Allerdings hatte sie bis Mitte 1920, also anderthalb Jahre lang, ein ungewähltes Parlament (was sich 1945 bis zum Juni 1946 wiederholte). Ohne Vertreter der Minderheiten, die gut 50% der Bevölkerung ausmachten, wurden wichtige Gesetze, samt Grundgesetz, erlassen und zahlreiche Schikanen oktroiert: die Bodenreform, Verstaatlichung von Eisenbahnen, das Sprachgesetz, usw. Thomas Masaryk schält sieh als Urheber vielen sonstigen Übels heraus - z.B. der Ablehnung jeglicher Hilfe an das von Bolschewiki überfallene Polen 1920, als auch der Feindschaft gegenüber Ungarn. Da zeigt sich sein verborgenes Antlitz des Vaters späterer Benesch-Machenschaften. Ein Schein des „Philosophen auf dem Thron“ wird als Trugbild entlarvt. Die Fülle der Informationen, von Krystlík zusammengetragen und ausgewertet, kann man nur durch aufmerksame Lektüre des Buches erfassen. Mit dem Autor bin ich voll und ganz der Meinung, dass das Gesetz zum Schutz der Republik von 1923 eine totale Suspendierung der Demokratie bedeutete. Strafen für „politische Verbrechen“ (nicht definiert) wurden verschärft, die Pressefreiheit praktisch aufgehoben. Nicht nur die Beleidigung des Staatsoberhaupts wurde strafbar. Auch eine Überprüfung der Politik oder der Person des Staatspräsidenten war unzulässig. (Wen wundert es denn, dass die Ikone des Präsidenten seit der Ersten Republik über die Kriegs-Exilzeit bis in die fatale Periode 1945-1948... und letztlich bis heute, sich gerettet hat?) Selbst Bildnisse früherer historischer Herrscher wurden unter Strafe gestellt. Benesch zeigte sich als früher Verhinderer vernünftiger Regelungen. Eine Zollunion Deutschland-Österreich-Tschechoslowakei hatte er abgelehnt, ebenso wie eine Annäherung der Donau-Staaten. Eine Chance, den 2. Weltkrieg zu verhindern, wurde vertan, meint Krystlík. „Mythen über München“ bilden einen eigenen Textabschnitt zum Münchner Abkommen. Eine ungewöhnliche Aufmerksamkeit wird auch der sogenannten 2. Republik ab September 1938 bis März 1939 gewidmet. Dies ist ein beschämendes Kapitel. Bereits am 14. Oktober 1938, schreibt Krystlík, veröffentlichten führende Organisationen tschechischer Ärzte, Rechtsanwälte, Notare, Diplom-Ingenieure, ein Memorandum: Es solle nicht mehr erlaubt sein, dass diese Berufe von Juden ausgeführt würden. Ein Professoren-Kollegium der Medizinischen Fakultät der Karls-Universität entschied, in den kommenden zwei Semestern keine jüdischen Studenten aufzunehmen. (Eine bittere Wende des Schicksals brachte nach Studentendemos vom Herbst 1939 eine von Nazis bewirkte generelle Schließung aller tschechischen Hochschulen und Universitäten... nicht nur für jüdische Studenten. Mehrere Studenten wurden hingerichtet, viele in die KZ's verschleppt.) In den Jahren zuvor waren manche Antinazis, Sozialdemokraten, Juden und andere gefährdete Personen, auch aus dem Sudetenland., ins Innere der ČSR geflüchtet. Darunter bekannte Schriftsteller- und Prominentennamen. Die Zweite Republik jedoch wies alle entweder aus, oder lieferte sie an die Nazi-Schergen zurück. (Ähnlich verfuhr Stalin nach dem Hitler-Pakt mit deutschen Kommunisten. die bei ihm Zuflucht gesucht hatten.) Krystlík prangert angeführte Geschehnisse hart an. Mein Einwand ist, dass die Zweite „Rest-Tschecho-Slowakei“ kein wirklich souveräner Staat mehr war. Ihm sind führende Persönlichkeiten ins ausländische Exil entflohen, z.B. der Staatspräsident selbst. Im März 1939 zeigte Benesch trotzdem die Dreistigkeit, den Menschen im lebensunfähigen Land vorzuwerfen, sie hätten sich gegen den deutschen Einmarsch nicht gewehrt. Dabei hatte er, unter unvergleichlich günstigeren Umständen, 1938 die Flinte ins Korn geworfen. Weitere scharf kritische Kapitel über den Widerstand im Protektorat, über Benesch im Exil und seine faktische Machtergreifung ab Mai 1945 sind voller exakter Angaben und mögen sorgfältig gelesen werden. Ein Buch von knapp 170 Seiten schreit laut nach deutscher Übersetzung und nach einem deutschen Verleger. Der Autor, hauptsächlich in Deutschland lebend, erntet via Internet wüsteste Beschimpfungen von den tschechischen Chauvinisten. Allerdings können nur solche Schriften die engstirnigen Unwahrheiten der tschechischen Geschichte Schritt um Schritt widerlegen und entsorgen. Das gut geschriebene und mit Genuss lesbare Buch ist bestens dokumentiert. Ein zweiter Teil liegt in Autors Computer bereit. Titel: Zamlčené dějiny. Tomáš Krystlík. Praha, Alfa Nakladatelství 2008 ISBN 978-80-87197-06-6 Zpátky |