Český a slovenský zahraniční časopis  
     
 

Prosinec 2009


Rund und gesund

Werner Bartens

Wer leichtes Übergewicht auf die Waage bringt, lebt länger und wird seltener krank. Ein gemütliches kleines Bäuchlein ist gesund. Wer seinen Rettungsring und das Hüftgold pflegt, kann sich entspannt zurücklehnen und auch weiterhin herzhaft zubeißen. Die Botschaft von Ärzten und Forschern ist schließlich eindeutig: Menschen mit leichtem bis mittlerem Übergewicht leben länger und werden seltener krank als ihre dürren Zeitgenossen. Leichtes Übergewicht ist aus medizinischer Sicht ideal. Daher sollte man es entweder in Idealgewicht umbenennen oder diesen irritierenden Begriff - ebenso wie die Bezeichnung Normalgewicht - ganz streichen.

Ein Team um die Hamburger Gesundheitswissenschaftlerin Ingrid Mühlhauser ist nach sorgfältigen Analysen zu diesem Ergebnis gekommen (Deutsches Ärzteblatt, Bd. 106, S. 641, 2009). Die Forscher hatten systematisch 42 hochwertige Studien ausgewertet, in denen der Zusammenhang von Gewicht, Lebensdauer und Krankheiten untersucht wurde. Demnach sterben die Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 bis 29,9 - diese Spanne gilt bereits als Übergewicht - nicht früher. Bei einem höheren BMI mit Werten jenseits der 30 sprechen Forscher von Fettleibigkeit oder Adipositas. Bei diesem starken Übergewicht sind hingegen die Risiken für Krankheiten erhöht und die Menschen werden nicht so alt. „In den USA verschiebt sich seit den 70er-Jahren der Wert des Körpergewichts mit der besten Lebenserwartung zu höheren BMI-Werten", schreiben die Autoren. „Heute ist ein BMI um 27 im mittleren Lebensalter mit der geringsten Sterblichkeit verbunden. Im Alter über 70 Jahre geht ein BMI zwischen 27 und 35 mit der geringsten Sterblichkeit einher."

Der BMI errechnet sich, indem das Gewicht durch die ins Quadrat genommene Körpergröße (in Metern) geteilt wird. Bei 1,80 Meter Größe und 80 Kilogramm Gewicht liegt der BMI demnach bei 24,7 (80 geteilt durch 1,8 x 1,8). Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert vier Gewichtskategorien und die meisten Ärzte haben diese Einteilung übernommen: Untergewicht besteht bei einem BMI unter 18,5. Ein BMI zwischen 18,5 und 24,9 gilt als Normal- oder Idealgewicht. Ein BMI von 25 oder mehr bedeutet Übergewicht, jenseits der 30 sprechen Ärzte von Adipositas oder Fettleibigkeit.

Dass die Grenze zum Übergewicht bereits mit einem BMI von 25 überschritten wird, hatte die WHO 1996 festgelegt. Als die Nationalen Gesundheitsinstitute der USA die Definition 1998 übernahmen, wurden auf einen Schlag 35 Millionen beschwerdefreie Amerikaner zu übergewichtigen Risikoträgern. Dabei wissen Ärzte schon lange, dass Gewicht und Größe allein wenig aussagen: Fitte Dicke sind zumeist gesünder als schlappe Schlanke. Der Körperbau und Trainingszustand spielen eine entscheidende Rolle, werden im BMI-Wert aber nicht berücksichtigt. Wie und wo das Fettgewebes verteilt ist, beeinflusst das kardiovaskuläre Risiko ebenfalls erheblich. Speckringe um den Bauch - die typische Apfelform, die bei Männern verbreitet ist - erhöhen das Risiko für Gefäßverkalkung und Herzinfarkt viel stärker als eine ähnlich große Fettdemonstration an der Hüfte, wie sie häufiger bei Frauen vorliegt und als Birnen- oder Rubensform bezeichnet wird.

Wie wenig aussagekräftig der willkürlich festgelegte Grenzwert von 25 ist, zeigen die Beispiele von Spitzensportlern: Für 1,80 Meter Größe läge die Spanne des Übergewichts zwischen 81 und 98 Kilogramm. Viele Zehnkämpfer und Fußballer würden der WHO-Definition zufolge als übergewichtig gelten. Oliver Kahn brachte am Ende seiner aktiven Zeit beispielsweise bei 1,88 Meter Körpergröße 91 Kilogramm auf die Waage und wäre mit einem BMI von 25,7 bereits leicht übergewichtig.

Trotz der fehlenden wissenschaftlichen Beweise werden die Gefahren durch erhöhtes Gewicht von Laien wie Medizinern immer wieder beschworen. Eine riesige Diät- und Lebensmittelindustrie lebt davon, Menschen ein schlechtes Gewissen und Gesundheitsrisiken einzureden. Doch die Belege dafür sind dünn. Amerikanische Forscher werteten 2007 im Journal of the American Medical Association Erhebungen aus, die von 1971 bis 2004 mehr als 2,3 Millionen Erwachsene umfassten. Ihr Fazit: Menschen, die nach der WHO-Definition Übergewicht haben, leben am längsten.

„Die Sterblichkeit war bei Untergewicht und Fettleibigkeit erhöht", sagte Katherine Flegal, Hauptautorin der Studie seinerzeit. „Unter Übergewichtigen gab es hingegen deutlich weniger Todesfälle als unter Normalgewichtigen." Über die Ursachen spekulieren Mediziner noch. Mollige erholen sich wohl schneller von Operationen, sind weniger anfällig für Infektionen und bei manchen Krankheiten ist ihre Prognose besser. „Vielleicht liegt es daran, dass Übergewichtige mehr Nahrungsreserven und Muskelmasse haben", sagt Flegal. „Sie können dann noch etwas zusetzen."

In der aktuellen Studie im Deutschen Ärzteblatt können die Autoren ihre Einzelergebnisse nicht genau erklären. So erhöhte sich bei leichtem Übergewicht das Herz-Kreislauf-Risiko zwar etwas, dies wirkte sich auf die Sterblichkeit der Frauen aber überhaupt nicht und auf die der Männer nur minimal aus. Während Diabetes schon bei leichtem Übergewicht häufiger vorkommt, werden Knochenbrüche mit zunehmendem Gewicht seltener - hier sind Untergewichtige besonders gefährdet. Wer mehr auf die Waage bringt, stirbt offenbar auch seltener an Krebs, bei starkem Übergewicht gilt dies aber nicht mehr.

Es ist paradox: Die Debatte um das Übergewicht wird mit zunehmender Wucht geführt, obwohl die Gefahren umstritten sind und wohl nur die ganz Dicken mit einem BMI über 30 betreffen. Doch sogar sie sind nicht alle gefährdet. „Etwa 20 bis 30 Prozent von ihnen weisen ein unauffälliges Risikofaktorenprofil auf und haben wahrscheinlich kein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko", schreibt Hans Hauner von der Technischen Universität München in einem begleitenden Kommentar.

(Süddeutsche Zeitung)



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