Český a slovenský zahraniční časopis  
     
 

Srpen 2011


Europas letzter „Kaiser“ ist tot

Alexander Graf von Schönburg-Glauchau

Für seine Nachbarn in Pöcking am Starnberger See war er schlicht „Herr Habsburg“. So nannte er sich. Für Österreichs Monarchisten war er: „der Kaiser“. Jeder, der 98 Jahre alt wird, ist ein Zeitzeuge. In Otto von Habsburgs Fall wirkt diese Bezeichnung reichlich untertrieben. Als Kind saß er noch auf dem Schoß seines Ur-Großonkels Kaiser Franz Joseph, der im 19. Jahrhundert über den Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn herrschte und mit „Sisi“ verheiratet war. Als junger Student in Berlin wurde er von Hitler zum Lunch eingeladen (er lehnte ab!). Als abgesetzter Thronfolger verhandelte er mit US-Präsident Roosevelt, er kannte Churchill und De Gaulle noch persönlich. 20 Jahre lang war er Abgeordneter des Europaparlaments (Franz Josef Strauß hatte ihn überredet, für die CSU nach Straßburg zu gehen). IHM verdanken wir – neben Johannes Paul II., Lech Wałęsa, Gorbatschow und Helmut Kohl – die deutsche Einheit! Es war die von ihm geführte „Paneuropa“-Bewegung, die 1989 jenes Picknick an der österreichisch-ungarischen Grenze veranstaltete, das DDR-Bürger zum Grenzübertritt nutzten und damit die Fluchtwelle lostraten, die zum Fall des Eisernen Vorhangs führte.

Vor vier Jahren durfte ich ihn zuletzt für BILD interviewen. Dem k.u.k-Reich weinte er keine Träne nach. Für ihn war die Europäische Union die Fortsetzung des habsburgischen Vielvölkerstaates mit demokratischen Mitteln. Mit dem Beschluss der EU, Kroatien in die EU aufzunehmen, hat sich auch noch sein letzter Traum erfüllt: Die Integration der osteuropäischen Länder in die europäische Staatenfamilie. Ich werde nie vergessen, wie ich ihm gegenüber saß. Wie er mir davon erzählte, wie er als sechs Jahre alter Junge das Ende der Monarchie, den Sturm auf Schloss Schönbrunn erlebte. Bis auf ein paar bosniakische Leibgardisten hatten sich alle Offiziere, die ihren Eid auf die Familie geschworen hatten, auf- und davongemacht. Und auch von den zahlreichen Hofschranzen, all den Onkeln, Vettern und Cousinen der Habsburger war nichts mehr zu sehen. Der ungarische Kammerdiener, Graf Josef Hunyady, war einer der letzten Getreuen, die bis zum Ende Stellung hielten. Otto wurde später erzählt, dass sich der Hofkammerdiener damals seinem Vater näherte, die korrekte Haltung zur offiziellen Berichterstattung einnahm und steif vermeldete: „Melde gehorsamst: Eure Majestät haben eine Scheißfamilie!“

Die abgesetzte kaiserliche Familie verbrachte die nächsten Jahrzehnte als zwischen den Großmächten hin und her geschobenes, historisches Strandgut. Die Familie landete via Schweiz erst auf der portugiesischen Insel Madeira (wo Ottos Vater, Kaiser Karl, 1922 starb) und schließlich im Exil in Belgien. Als die deutschen Truppen in Belgien einmarschierten, mussten die Habsburgs wieder fliehen, Otto stand auf der Fahndungsliste der Gestapo. Letztendlich wurde die Familie, durch die Intervention US-Präsident Roosevelts, mit einem Clipper-Flugzeug nach Amerika gebracht, wo Otto (zusammen mit seiner Mutter und drei seiner vier Brüder) die meiste Zeit des Zweiten Weltkriegs verbrachte.

Als Hitler bei einem Aufenthalt in Berlin erfuhr, dass der österreichische Thronanwärter in der Stadt ist, lud er ihn zum Mittagessen ein. Warum er die Einladung abgelehnt habe, wollte ich bei meinem letzten Treffen von ihm wissen. War er nicht neugierig? Er: „Weil er eine Begegnung mit mir politisch ausgeschlachtet hätte. Es war die einzige interessante Diskussion, die ich in meinem Leben je ausgeschlagen habe.“

Als er nach dem Krieg wieder europäischen Boden betrat, war er mittel- und staatenlos. In Österreich galten inzwischen die Anti-Habsburg-Gesetze, die Angehörigen seiner Familie den Aufenthalt im Land untersagten. Er begann, sein Brot als Zeitungskolumnist zu verdienen. In einem Lager für ungarische Flüchtlinge in München begegnete er seiner künftigen Frau, Prinzessin Regina von Sachsen-Meiningen (sie starb im Februar 2010). Er ließ sich mit ihr in Pöcking am Starnberger See nieder. Das Haus konnte er sich dank der Tatsache leisten, dass er bald auf der ganzen Welt als Redner und Buchautor gefragt war. Seine eigentliche Heimat wurde allerdings das Europarlament in Straßburg. Eigentlich ja ein Treppenwitz der Weltgeschichte, dass der Erbe eines elf Nationen umspannenden Reiches Karriere als einfacher Abgeordneter der CSU für Oberbayern machte. Es wird nie wieder einen glaubhafteren Repräsentanten für die Idee Europas geben als Otto von Habsburg. „Warum fällt es uns so schwer, Europa zu lieben?“, fragte ich ihn damals. „Das liegt am EU-Beamtenapparat“, sagte er freundlich, „Apparatschiks kann man eben schwer lieben.“ Wer kann in seine Fußstapfen treten? KEINER.

Er hinterlässt sieben (!) Kinder, die sich seinem Erbe verpflichtet fühlen. Seine Rolle als Chef des Hauses Österreich übernimmt sein ältester Sohn Karl (50), der mit der Thyssen-Erbin Francesca (53) verheiratet ist. Karl, der neue „Konjunktiv-Kaiser“, sagte gestern: „Mein Vater war eine überragende Persönlichkeit.“ Auch eine ziemliche Untertreibung.

P.S.: Bei Habsburg-Herrschern ist es Tradition, dass das Herz getrennt vom Körper beerdigt wird. Ein österreichischer Kaiser gehört schließlich auch als König den Ungarn. Seine letzte Ruhe finden wird Otto von Habsburg natürlich in Wiens Kapuzinergruft. Sein Herz wird am 17. Juli in Ungarn beigesetzt werden.

(Bild.de)



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